Wie entstand Philosophie (in Griechenland)?

"Denn die Philosophie entstand vor zweitausend Jahren in einer Krisensituation, die erstaunlich derjenigen ähnelt, die wir heute erleben: die Krise der Demokratie Athens." (Sautet, S. 9)

Vorgeschichte: 1. Etappe der Kultur in Griechenland: Gemeinwirtschaft und Eroberer
(magisch-mythologische Zeit)
Gemeinwirtschaft der Pelasger (Sautet S. 265)
(parallel: Minoer auf Kreta seit ca. 26 Jh.v.u.Z. bis um 15 Jh.v.u.Z., die von eher kriegerischen Mykenern gefolgt wurden)
Dionysos: erneuert Lebenskräfte immer wieder, Dionysoskult war Sache der Frauen (266), sehr alte Spuren - in Zeus´ Götterhimmel erst spät integriert (264)
Eroberer (Dorer) bringen 3 Jahrhunderte lang Chaos und Unordnung (13./12 Jh.v.u.Z.) gehen als "Titanen" in Legenden ein
2. Etappe der Kultur in Griechenland: Kriegeraristokratie bringt Ordnung
(epische Zeit)
Kriegeraristokraten bringen (hierarchische) Ordnung
Für Volk: "Sein einst freies und gemeinschaftliches Leben mußte es dem Unterhalt seiner Herren widmen, denen es das Ende seines Alptraums verdankte." (265)

Epos als Widerspiegelung

 

1. Differenzierungen der Interessen - innerhalb der Aristokratie Achill: kämpft in der Illias (800-700 Jh.v.u.Z.) um der Ehre willen (als Kriegeraristokrat)
Agamemnon dagegen "nur" um der Beute willen;
(beachte: später von Klytemnästra getötet...)
2. Differenzierungen der Interessen: zwischen Aristokratie und "Plebs":
"Plebs"-Demos: Bauern emanzipieren sich von Aristokratie, Erde wird bewegliches Gut (vgl. Lehrbuch 11. S. 21f.)
Theognis (5. Jhd. V.u.Z.): Gedichte gegen den Plebs

"Da die Götter taub sich stellen, entsteht die Urteilskraft" (LOGOS)

Demokrit: geb. (500-540 v.u.Z.): Atomwirbel-Konzept

Sieg über die angreifenden Perser (480 v.u.Z.): nicht durch Kriegeraristokratie, sondern durch Plebs! (S. 267) Geburt der Tragödie : 1. Tragödie von Aischylos: Die Perser: singt den Ruhm des Volkes von Athen: Königin: "Wer ist Lenker dieses Volkes und erteilt dem Heer Befehl?" Chorführer: "Sie sind keines Menschen Sklaven, sind auch keinem untertan."

Logos verliert wieder an Bedeutung

3. Etappe der Kultur in Griechenland: Demokratie
(Beginn des Logos) Das Epos beruhte noch auf der Anerkennung der Macht der Götter. Durch die gesellschaftlichen Veränderungen verblaßte die Selbstverständlichkeit der Herrschaft der Aristokratie (siehe Agememmnon...):

  1. Widersprüche innerhalb der Aristokratie (Achill, Agamemmnon),
  2. Neuaufkommen des "Plebs", neue gesellschaftliche Beziehungen über persönliche Abhängigkeit hinaus: Geld als (neutraler) Vermittler
"Die Zeit ist gekommen, nicht länger von den Göttern die Antwort auf alle diese Fragen zu erwarten. Von nun an gilt es, aus eigener Kraft zu denken." (Sautet, S. 256) "
Da die Götter sich taub stellen, entsteht die Urteilskraft. " (ebd.)

  • Der Wechsel des Weltbildes von Ordnung zeigt sich auch im Aufkommen des Atomismus: "An die Stelle der schönen Ordnung der Vergangenheit tritt eine ununterbrochene Folge von Zusammenstößen winziger Elemente." (Sautet, S. 258)
  • Heraklit: Feuer steht im Mittelpunkt der Welt wie das Gold im Mittelpunkt der menschlichen Angelegenheiten (ebd., S. 261)
  • Anaxagoras: nicht Feuer bewegt die Dinge, sondern der Geist.
Aber auch die Demokratie hat innere Widersprüche:
Sieg der Demokratie -
<keine direkte Gewalt nach innen, sondern Strukturierung durch Handel...>
Geldprägung seit 6. Jh.v.u.Z.
Herrschende Rolle des Geldes : -> geistige Reduktion des Vielfältigen auf das Einfache, Thales (Wasser); Heraklit: Feuer entspricht Gold als Mittelpunkt (S. 261): "Wechselweiser Umsatz: des Alls gegen das Feuer und des Feuers gegen das All, so wie der Waren gegen Gold und des Goldes gegen Waren."

innerlich widersprüchlich,
nicht Klassenkampf: Sklavenhalter - Sklaven, sondern:
1. Tributzahlende von außen alimentieren Stärke Athens
(-> Peleponnesischer Krieg zwischen Athen und Sparta 431 v.u.Z.)
2. Sklavenarbeit macht freie Handwerk und Bauernarbeit überflüssig -> Verarmung -> Konflikt Arme - Reiche (S. 290)

vgl.: auch die von Jefferson begründete amerikanische Demokratie war von Anfang an mit dem Widerspruch belastet, daß Jefferson selbst von der Arbeit von 200 Sklaven lebte...
Daß der soziale Frieden - damit die Voraussetzung für Demokratie - in den höchstentwickelten kapitalistischen Industriestaaten u.a. über die Ausbeutung der Länder des Trikonts alimentiert sind, wird inzwischen auch kaum noch geleugnet...

Sophokles: Ödipus: hält der Gesellschaft den Spiegel vor (S. 270) - Metaphern: Vatermord - Kriegeradel (Vater) seiner Privilegien beraubt, Inzest: Plebs hat sich eigenen Herrscher zugelegt (Perikles)

Sokrates: (470-399 v.u.Z.) "war aufgescheucht: er mußte herausfinden, was schiefging..." (S. 283)

Auch Platon: sucht Ursache für Unglück in Politeia, verwirft Sklaverei, alle Bürger arbeiten in seinem idealen Staat (S. 289)

Demokratieproblem: Höhlengleichnis (S. 293) Plebs bleibt gefangen

<"Basisdemokratie" unterläuft akkumulierte Vernunft, solange Menschen nicht ihr entsprechend entscheiden>
Platon: die meisten Arbeitenden sind keine Sklaven


Aristoteles: befürwortet Sklaverei als Allgemeines
404 v.u.Z.: im peleponn. Krieg durch Sparta besiegt,

-> Demokratie gereizt, empfindlich gegenüber Sokrates Fragen

Aristophanes zufolge verdiente Sokrates den Tadel, weil er die Kunst lehrte, Verpflichtungen nicht einzuhalten (S. 280). <Hegel: S. hinterfragte bisherige Selbstverständlichkeit der sittlichen Gesetze>

(auch Protagoras und Anaxagoras mußten Athen verlassen)

Die innere Widersprüchlichkeit der Demokratie in Griechenland wird - nach Sautet - u.a. in der Ödipus-Sage von Sophokles widergespiegelt.

Sie war auch der Ausgangspunkt für die Überlegungen und die philosophische Aktivität von Sokrates, mit dem nach üblicher Geschichtsschreibung die Philosophie in Griechenland beginnt.

 

Literatur:
vor allem: Sautet, M., Ein Café für Sokrates. Philosophie für jedermann, Düsseldorf/Zürich 1999
vgl. auch:
Eichler, K.D., Seidel, H., Philosophie im antiken Griechenland, in: Moritz , R. (Hrsg.), Wie und warum entstand Philosophie in verschiedenen Regionen der Erde?, Berlin 1988, S. 125-166
Schwab, G., Die schönsten Sagen des klassichen Altertums, Bindlach 1995


Zurück zur Diskussionsrunde

[Homepage] [Gliederung]

Stübchen Gliederung


- Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" 1999 - http://www.thur.de/philo/philo2.htm -