Rezension von Annette Schlemm:

Susanne Thomann:
Das Rauschen des Raumes

edition 8 Zürich 2002

 

"Ich liebe die Zukunft. Sie liegt vor mir wie eine Ebene. Unberührt. Offen. Ich hasse die Vergangenheit. Ein dunkles Gebirge voller Höhlen und Schluchten. Und jeder Schritt, den wir tun, verwandelt die reine Fläche vor uns in düsteres Gebirge. Warum nur zerstören wir mit jeder Berührung diese Reinheit?"

Manchen Büchern sollte man es gar nicht wünschen, in die SF- und Fantasy-Regale der großen Kaufhausketten eingeordnet zu werden. Diese Regale sind nicht mehr die Bretter, die große Zukunftswelten tragen, sondern nur noch Verkaufstheken für Massenware.

Dazu gehört das Buch "Das Rauschen des Raumes" von Susanne Thomann auf keinen Fall. Es ist selten, bereits von den ersten Sätzen eines Buches so berührt zu werden, von dem ersten sanften Gespinst eines Fadens, den die Hauptperson als Silberfaden durch die Handlungslandschaft zieht, wie hier. Von der technischen und politischen Umwelt der Menschen, deren Leben wir begleiten, erfahren wir direkt nur im Klappentext etwas. David lebt auf Raumschiffen, die im Photonenwind segeln, verunglücken können, die Geheimnisse tragen, auf denen sich Agentenstories abspielen - und auf denen geliebt wird, wie noch niemals geliebt wurde. David wird in illegale Geschäfte mit einem Lebenselixier hineingezogen, steht unter Verdacht und verdächtigt. Magie scheint sich als neues Prinzip anzubieten - aber auch sie hinterlässt Wunden. Das ganze bewohnte Universum wird beherrscht von der Organisation Demeter, eine Ordnungssektion scheint David zu verfolgen. Aber er liebt. Er liebt den Undurchschaubaren, vielleicht seinen Feind. Und er liebt dessen Geliebte - und es fühlt sich richtig an. Gegen alle Verwirrungen seiner Zeit und gegen alle Gewohnheiten der LeserInnen seiner Lebensgeschichte webt diese Liebe den Silberfaden, der die düsteren Gebirge der Vergangenheit in sein erhellendes Licht taucht. Ein ganzes Leben durchläuft das Erzählen, der Lebensfaden durchquert abenteuerliche Geschichten, er weiß nicht wohin, aber er bleibt sich treu und wird in jedem Moment mehr er selbst. Er legt eine Spur, der zu folgen wohl keine Leserin und keinen Leser unverändert lässt. Wir lernen Möglichkeiten kennen, unter allen Bedingungen wir selbst zu werden.


"Ich hasse die erstarrte Form der Vergangenheit. Diese Schmutzspur des Geordneten. Ich liebe die Zukunft. Diese maximale Unwahrscheinlichkeit aller Zustände. Das ungeordnete Chaos. Das Licht, das mich blendet. Die Freiheit."

Nein, in die Regale der gewöhnlichen SF- und Fantasyliteratur gehört dieses Buch wirklich nicht - aber in die Hände jedes Interessenten an ausdruckstarker Sprache, besinnlichen Momenten und unberührtem Chaos, dessen Freiheit ihn ruft.

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Mehr zu diesem Buch siehe: http://www.edition8.ch/thomann.htm

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