Allein machen sie dich ein!
Plädoyer für den Aufbau
einer emanzipatorischen Bewegung
(Jörg Bergstedt)

Für die Herrschenden und die Profitierenden der Verhältnisse ist es ein tägliches Erfolgserlebnis: Die kritischen gesellschaftlichen Bewegungen arbeiten neben- oder gar gegeneinander. Und sie beziehen sich in ihrer Arbeit nicht auf ihre eigenen Ziele oder die Menschen als Ursprung aller emanzipatorischen Prozesse, sondern ihre Aktionsebene sind fast immer die Strukturen von Staat und Wirtschaft. An PolitikerInnen und Firmen werden Vorschläge und (oft zurückhaltende) Forderungen herangetragen, diese sollen sie umsetzen mit ihren Apparaten, im Zweifel auch gegen die Menschen.

Solange gesellschaftliche Bewegungen aber den Staat als Partner wählen und nicht miteinander versuchen, die Menschen aus den gezielt geschaffenen Zwängen zu befreien und die notwendigen Freiräume für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten zu schaffen, wird ihre politische Arbeit eher die bestehenden Verhältnisse stärken – und damit auch die Ausbeutung der Natur, die Ungleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, Erwachsenen und Kindern, Deutschen und Nichtdeutschen usw.

Umweltschutz als Vorreiter einer emanzipatorischen Bewegung?

In seiner Geschichte schreibt der Umweltschutz düstere Episoden der Anbiederung an Macht und Unterdrückung. Der Pakt mit den Nazis war kein Betriebsunfall, sondern paßt zur über ein Jahrhundert alten Tradition, StaatsdienerInnen und Industrielle in die Führungsgremien zu holen, Menschen mit Appellen zu bearbeiten und die Machtapparate für sich einsetzen zu wollen. Diese Strategie ist nicht nur politisch falsch, sondern auch gescheitert. Die Abhängigkeit von Staat und Wirtschaft hat der Umweltbewegung jegliche eigene Aktionsfähigkeit genommen, die Folge sind die zur Zeit völlig ungestört laufenden globalen Umwälzungsprozesse zugunsten des Profits weniger und zuungunsten der meisten Menschen und der Umwelt.

Keine emanzipatorischer Gesellschaft ohne Umweltschutz!

Umweltschutz ist unverzichtbarer Bestandteil einer herrschaftsfreien Gesellschaft, denn diese ist nicht organisierbar in einer zerstörten Umwelt, in der die Menschen nicht mehr aus eigener Kraft überleben können. Zudem wäre eine Gesellschaft nicht herrschaftsfrei, wenn sie nur in sich gleichberechtigt ist, nach außen (gegenüber Tieren, Pflanzen und unbelebter Natur) aber ausbeutet.

Damit Umweltschutz zum Teil einer emanzipatorischen Bewegung wird, sind drei Prozesse wichtig:

  • Umweltschutzgruppen und –verbänden müssen emanzipatorische Strategien und Positionen entwickeln, umsetzen und Ziele zu anderen Bereichen als Teil des Ganzen anerkennen, aufnehmen und mitvertreten.
  • Ebenso müssen andere gesellschaftspolitische Bewegungen (Friedensbewegung, Frauengruppen, internationalistische und Eine-Welt-Gruppen, Jugendverbände usw.) emanzipatorische Positionen schaffen und verwirklichen.
  • Alle müssen einen emanzipatorischen Umweltschutz als Teil des Gesamten akzeptieren und integrieren.

Erstens: UmweltschützerInnen müssen den Zusammenhang zwischen ökologischen und emanzipatorischen Zielen verstehen, neue Strategien und Forderungen eines emanzipatorischen Umweltschutzes entwerfen und den Kontakt zu anderen gesellschaftlichen Bewegungen suchen bzw. gemeinsame Aktionsformen entwickeln und umsetzen. Hierbei werden Spaltungen und deutliche Distanzierungen gegenüber Forderungen und Positionen eines Umweltschutzes von oben sowie der Unterstützung von Machtstrukturen unvermeidlich sein.

Zweitens: Es muß vergleichbare Prozesse auch in anderen Bewegungen gibt. Genauso wie die meisten UmweltschützerInnen setzen z.Zt. entwicklungspolitische, Frauengruppen, Gewerkschaften und soziale Verbände auf Lösungen, in denen der Staat mit seinen Machtmitteln agiert. Beispiele:

  • Internationale Frauenmärsche 1999
    In den Forderungen wurde eine Weltregierung gefordert mit Machtmitteln sowohl gegenüber den einzelnen Staaten und allen Menschen der Erde, in der zur Hälfte Frauen sitzen, die mit der Gewaltanwendung Fraueninteressen durchsetzen.

  • Forderungspapier zum Weltwirtschaftsgipfel 1999 in Köln
    Das Papier zu einer Aktion, die sich gegen die Mächtigen dieser Welt richten und für die Widerstandsbewegungen vor allem in den ärmeren Ländern eintreten soll, nennt als Forderungen, daß sich die Politik nach der Mehrheit der Menschheit richten und eine "neue Weltwirtschaftsordnung" geschaffen werden soll.

  • Kreditfonds nach dem Plan der Erlaßjahr 2000 Kampagne
    Die Forderungen der Kampagne für einen Schuldenerlaß der Entwicklungsländer im Jahr 2000 enthält den Vorschlag zur Einrichtung von Kreditfonds in den armen Ländern, die aus den nicht rückgezahlten Schulden gespeist werden sollen. Die Kredite sollen nach der Darstellung in der Erlaßjahr Ausstellung an KleinbäuerInnen, Frauenprojekte usw. vergeben werden. Der Fonds wird von Regierungs und NGO VertreterInnen verwaltet. So würde die Schuldenkrise verschärft, weil nicht mehr die Staaten, sondern die einzelnen Menschen in die Verschuldung getrieben würden. Die NGOs dagegen sichern sich ihre Macht über die Beteiligung an der Kreditvergabe.

  • Schuldenerlaß für Umweltschutzmaßnahmen
    Verschiedene Organisationen, z.B. der WWF, aber auch Regierungsstellen schlagen vor, den Schuldenerlaß für Entwicklungsländer daran zu koppeln, daß die Länder ihre Umwelt schützen. Dabei fordern sie, mit in den Entscheidungsgremien über diese "Debt for Nature Swaps" eingebunden, d.h. an der Macht beteiligt zu sein.

    Drittens: Es bedarf einer Akzeptanz des emanzipatorischen Umweltschutzes in einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung. Zur Zeit werden ökologische Ideen und Forderungen in anderen Bewegungen als konservatives Gedankengut oder nebensächlich abgetan. Hier müssen UmweltschützerInnen um eine Offenheit gegenüber einem die Selbstbestimmung fördernden Umweltschutz Arbeit werben. Die Bewegungen außerhalb des Umweltschutzes sind aufgerufen, einen solchen Umweltschutz als Teil eines emanzipatorischen Ansatzes zu begreifen.

    Anlässe und Symboliken finden

    Politische Strategien und Positionen dürfen nicht im luftleeren Raum verbleiben, wenn auch ihre Entwicklung sowie das Einbringen von Forderungen und Utopien in die öffentliche Diskussion bereits als solches einen hohen Wert hat. Darüberhinaus müssen aber Kristallisationspunkte geschaffen werden, an denen die Positionen sichtbar werden und sich in einen Gegensatz stellen zu den Konzepten gesellschaftlicher Entwicklung, die die Selbstbestimmung der Menschen untergraben.

    An diesen Symbolen müssen bewegungsübergreifende Aktionen und Inhalte entstehen und sichtbar werden. Geeignet dafür sind vor allem solche Punkte, an denen Machtstrukturen sowie die Ausbeutung von Mensch und Umwelt besonders offensichtlich werden (Militär und Krieg, internationale Ausbeutung und Abschiebung), oder die Veranstaltungen, politischen Entscheidungen usw., die der Durchsetzung von Ausbeutung und Herrschaft dienen (z.B. internationale Verträge, politische Entscheidungen). Besondere Symbolkraft hat die Expo 2000 im Sommer nächsten Jahres in Hannover und, mit den weltweiten Projekten, fast überall anders. Hier zeigen Konzerne und Regierungen, unterstützt von den staatsorientierten Umwelt- und sonstigen politischen Organisationen, ihr Zukunftsbild, in dem neue Technik dominiert, während die Menschen vollständig zu Rädchen im System werden sollen, d.h. als Arbeitende und KonsumentInnen begriffen werden. Die Expo 2000 wäre ein geeignetes Symbol, eine neue und breite gesellschaftliche Gegenbewegung zur Zukunftsgestaltung von oben zu entwickeln.

  • Bestellformular
    für weitere Materialien
    (per e-Mail)

    Ihr könnt auch
    online bestellen
    bei www.Buch.de

    Zurück zur Übersicht