erster Teil

Schöne, neue Welt

Laut EXPO-Konzept ist die "Entschlüsselung des menschlichen genetischen Codes" auf dem Weg, "Diagnostik und Behandlungsformen zu revolutionieren", womit es nicht ganz falsch liegt. Im Themenpark wird "einiges zur Genomforschung (u.a. Humangenomprojekt; Gen-Chipkarte) zu sehen" sein.

1990 begann das Human-Genom-Projekt (HUGO) mit dem Ziel, bis zum Jahr 2003 die menschlichen Erbanlagen zu entschlüsseln und die DNS-Bausteine dahingehend zu analysieren, an welchem Ort welche Gene im Erbgut liegen. HUGO möchte alle Krankheiten wie Krebs oder Herzkreislaufschwächen entdecken, eventuell sogar die genetischen Grundlagen von psychischen oder altersbedingten Krankheiten.

Der gentechnisch beeinflußten Umdefinition des Krankheitsbegriffs liegt die Ideologie zugrunde, daß die Erbanlagen Grundlage aller Lebenserscheinungen seien. Bei der EXPO GmbH heißt das dann "biologisch vorgegebene Grenzen" und "generell kann man davon ausgehen, dass alle Verhaltensweisen eine ererbte Basis haben". Die Genforschung ist beseelt von dem Gedanken, auch persönliche Merkmale bis hin zu Charaktereigenschaften aus den genetischen Informationen eines Menschen herauslesen zu können. Zur Legitimation der Biopolitik und ihrem Einsatz ist die Biologisierung des Sozialen notwendig.

Die Sensationsmeldungen über neuentdeckte Gene wie z.B. Aggressivitäts-, Homosexualitäts- oder Intelligenzgene sorgen dafür, daß sich der Glaube an die genetische Vorbestimmtheit in den Köpfen festsetzt. Bei diesem schleichenden Bewußtseinswandel gerät allzu leicht in Vergessenheit, daß der Mensch mehr ist als die Summe seiner Gene, nämlich in erster Linie ein soziales Wesen. Mit der Allgegenwart der Gentechnik in der Medizin droht sich ein biologistisches Menschenbild in unseren Köpfen festzusetzen.

Kostenreduktion und genetische Ausgrenzung

Mit jeder neuen Entdeckung eines Gens wächst der lukrative Markt für Gentests. Erste kommerzielle Gentests für ein Routine-Screening von Brust-, Eierstock- und Darmkrebs sind bereits entwickelt. Weitere für Alzheimer, Bluthochdruck und Schizophrenie sind in der Entwicklung. Da die Tests immer einfacher handhabbar und billiger werden, ist deren breite und unkontrollierte Anwendung wahrscheinlich. "Gentests für jedermann" schlägt die EXPO GmbH vor. Im Technikfolgeabschätzungsbericht des Bundestages 1994 wird das eigentliche Ziel benannt: "Eine frühzeitige Identifizierung anfälliger Personen - vor Ausbruch einer Krankheit - könnte als geeignete Strategie zur Reduktion von Kosten durch eine entsprechende Änderung des Lebenswandels der betreffenden Personen angesehen werden."

Diagnosen können direkt aus der genetischen Beschaffenheit der/des PatientIn gestellt werden, und zwar bereits bevor eine Krankheit zum Ausbruch kommt, die vielleicht auch ein Leben lang nie ausbrechen wird. Für eine Vielzahl von Krankheiten wären Ursachen und Mechanismen angebbar und damit neue Therapien und "Reparaturmöglichkeiten" in Aussicht. Die Korrektur genetischer "Defekte" direkt am genetischen Material, die Gentherapie, folgt dieser Logik auf den Schritt.

In den USA werden bereits Menschen mit einer diagnostizierten Erbkrankheit nicht mehr oder nur noch gegen überhöhte Beiträge krankenversichert. In zunehmendem Maße sind auch Menschen betroffen, die wegen eines Gendefekts als "krank" eingestuft werden, obwohl sie völlig gesund sind - sie gelten als "asymptomatische Kranke", also als Kranke ohne Symptome. Selbst an einigen Unis ist bereits die Zulassung zum Medizin-Studium von einem Gentest abhängig. Der US-Chemiekonzern Dow Chemical hat mit Hilfe eines arbeitsmedizinischen Überwachungsprogrammes Angestellte ausgesondert, die als besonders "krebsanfällig" galten. Die Selektion von Menschen nach genetischen Prognosen ist die Vorhut einer nachfrageorientierten Eugenik.

Das Prinzip, ganze Belegschaften gezielt auf ihr genetisches Material hin zu untersuchen, um Anfälligkeiten für bestimmte Krankheiten zu erkennen, soll vermehrt zum Einsatz kommen. Lohnabhängige werden aufgrund genetischer Kriterien selektiert und als geeignet bzw. ungeeignet für besonders belastete Berufe eingestuft. Berufskrankheiten werden individualisiert, nicht die schlechten Arbeitsbedingungen in der Industrie sind verantwortlich, sondern einzelne Erbanlagen. Strategie ist die Minimierung sozialer Ausgaben durch Selektion.

Aber nicht nur durch genetische Reihenuntersuchungen wird die Kontrolle über Lohnabhängige ausgeweitet. In einem Bericht der Enquete-Kommission vom Bundesministerium für Forschung und Technologie im Dezember 1985 heißt es, daß genetische Analysen dazu beitragen können, im Einzelfall die Ursachen für eine arbeitsstoffbedingte Schädigung einer/-s Lohnabhängigen abzuklären. Neben der Belastung am gegenwärtigen Arbeitsplatz sei die mögliche Schwächung durch Belastungen in früheren Tätigkeiten in Betracht zu ziehen, ferner die sonstigen Lebensumstände der/-s ArbeitnehmerIn, insbesondere der Alkohol- und Nikotinkonsum.

Mit anderen Worten: wer in einer Lackiererei arbeitet und trotzdem raucht ist also selber Schuld, wenn sie/er an Lungenkrebs erkrankt. Was hier unter dem Titel "Humanisierung des Arbeitslebens" geforscht und entwickelt wird, dient zu nichts anderem als der gezielten Selektion und Kontrolle von Lohnabhängigen, die für krankmachende Arbeitsstoffe besonders anfällig sind. Medizinische Vorsorge- und Einstellungsuntersuchungen sind in der BRD bereits gang und gäbe.

Wer erst einmal als TrägerIn "genetischer Risiken" identifiziert ist, wird in der Konkurrenz um einen Arbeitsplatz unterliegen - selbst wenn sie/er vollkommen gesund und es ungewiß ist, ob die prognostizierte Krankheit tatsächlich auftreten wird. Wer beim Gentest durchfällt, der/dem droht künftig ein Beschäftigungsverbot für den konkreten Arbeitsplatz. Die Unterscheidung in "erbstarke" und "erbschwache" Angestellte und der damit einhergehenden Diskriminierung einzelner mit bestimmten genetischen Merkmalen schadet letztendlich allen Lohnabhängigen: Durch Aussonderung vermeintlich besonders anfälliger Menschen werden die Anstrengungen, Arbeitsplatzbelastungen zu reduzieren, nachlassen. Die Risiken einer zerstörerischen Produktion werden zukünftig noch mehr auf die Arbeitenden abgewälzt werden.

Heute schon gescreent?

Aber nicht nur im Arbeitsleben, auch in der Versicherungsbranche spielt die Genanalyse eine Rolle. In der BRD sind Menschen, die eine private Kranken- oder Lebensversicherung abschließen, verpflichtet, alle "gefahrenerheblichen Umstände" anzuzeigen und ihren Arzt oder ihre Ärztin von der Schweigepflicht zu entbinden.

Versicherer können somit auf Ergebnisse genetischer Tests zurückgreifen und davon den Versicherungsabschluß oder die Beitragshöhe abhängig machen. Das Versicherungsprinzip, Risiken und Kosten gemeinschaftlich zu tragen, wird dadurch systematisch in Frage gestellt.

Die Folgen sind weitere Sparmaßnahmen und eine Entsolidarisierung der Versicherten bis hin zu dem Punkt, daß Versicherungsschutz eine Frage der "richtigen Gene" ist. Schleichend droht eine Stigmatisierung und Diskriminierung von Trägern bestimmter genetischer Merkmale. Die so herausgerasterten Menschen werden zum Opfer einer Prognose, zum Objekt medizinischer Kontrolle und administrativer Maßnahmen, sei es, daß ihnen eine bestimmte Lebensweise aufgenötigt wird, sie aus bestimmten Berufen oder sozialen Zusammenhängen ausgegrenzt oder mit zusätzlichen Kosten belastet werden. Die EXPO GmbH benennt das Problem der genetischen Diskriminierung, impliziert wird aber lediglich eine Gentherapie als Lösung, nicht etwa Möglichkeiten zur Beseitigung der Diskriminierung.

Das Datenmodell kann zur Richtschnur der Biographie werden, sich verselbständigen und ein Eigenleben entwickeln. Immer mehr Bereiche des gesellschaftlichen Lebens fallen damit in die Zuständigkeit eines Gesundheitssektors, der Informationen über biologische Merkmale eines Menschen erheben und verarbeiten darf. Sollte sich der Trend zu diesen oder ähnlichen Tests gesellschaftlich durchsetzen, werden sich neben Krankenversicherungen und FirmenbesitzerInnen auch EhepartnerInnen, ErzieherInnen, RichterInnen und andere für den Nachweis des korrekten Erbguts zu interessieren beginnen. Der Bioethiker Hans-Martin Sass und die Ärztin Rita Kielstein etwa halten es für eine moralische Pflicht, die persönlichen genetischen Risikofaktoren ausforschen zu lassen und "Lebensplanung, Liebe, Freundschaft, Hobby und Beruf" darauf abzustimmen. Eine Expansion eugenischer Vorstellungen ist damit absehbar. Denn welche besorgten Eltern werden darauf verzichten wollen, ihrem Nachwuchs die bestmöglichen "Lebenschancen" in Form des "meistversprechendsten Erbguts" mit auf den Weg zu geben? Eine neue Eugenik ganz ohne unmittelbare staatliche Repression legt sich an.

Seit 1976 werden nahezu alle Neugeborenen durch Screening erfaßt, d.h. alle Neugeborenen werden in Reihenuntersuchungen auf ein genetisches Merkmal hin untersucht. Ziel ist die Ermittlung von "genetischen Risikofaktoren", die bei Kranken häufiger als bei Gesunden auftreten.

Behinderte sollen ihre Geburt am besten aber gar nicht erst erleben. Die pränatale Diagnostik soll dazu verhelfen, nur die fittesten und gesündesten Kinder zu gebären. Wenn sich eine schwangere Frau nicht bewußt dagegen entscheidet, gerät ihr ungeborenes Kind heute automatisch in die genetische Qualitätskontrolle.

Menschen nach Mass

Der Gang zur humangenetischen Beratungsstelle gehört zunehmend zum Normalverlauf einer Schwangerschaft und die Zahl der Frauen, die sich einer Pränataldiagnostik unterziehen, steigt kontinuierlich an. Unter den Schwangeren über 35 sind es bereits mehr als die Hälfte und knapp 80% aller Frauen entscheiden sich für eine Fruchtwasseruntersuchung. Hinzu kommt, daß sich seit mehreren Jahren die Schadenersatzprozesse im Zusammenhang mit pränataler Diagnostik häufen. Versäumt es etwa eine Ärztin oder ein Arzt, einer 38jährigen Schwangeren zu den Untersuchungen zu raten, macht sie/er sich, so das Kind behindert zur Welt kommt, schadenersatzpflichtig. Denn mittlerweile haben schwangere Frauen ab 35 Jahren einen Rechtsanspruch auf Pränataldiagnostik. Der "Schaden" ist das Kind, das krank geboren wird. Die Ärztin/Der Arzt haftet also nicht, weil ihret-/seinetwegen jemand gestorben ist, sondern weil jemand lebt. Indirekt bestätigt die Justiz es damit als Aufgabe der Pränataldiagnostik, behindertes Leben zu verhindern. Vor diesem Hintergrund neigen ÄrztInnen dazu, die gesamte Palette der Untersuchungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Die Vorstellungen davon, was noch normal und zumutbar ist, werden immer enger gezogen. Laut einer Umfrage in der BRD wäre "genetisch bedingtes Übergewicht" für 18 % der befragten Schwangeren ein Grund, die Schwangerschaft abzubrechen. Nicht die Diskriminierung von Menschen, die von der Norm abweichen, sondern die Diskriminierten selbst sollen beseitigt werden.

Die deutsche Wirklichkeit lehrt bereits heute, daß Eltern mit moralischem Druck und finanziellen Nachteilen zu rechnen haben, die sich trotz Optionen auf vorgeburtliche Diagnostik und Vermeidung für behinderte Kinder entscheiden. Je einfacher es technisch wird, genetische Mißbildungen des Fötus zu diagnostizieren, desto mehr Schuld wird Eltern/Müttern zugewiesen, wenn sie behinderte Kinder zur Welt bringen, die hätten verhindert werden können.

Die normative Kraft der technischen Möglichkeiten ist beständig am Werke und verwandelt den Wunsch in einen Anspruch auf ein gesundes Kind, die werdenden Eltern nehmen es nur mit Garantieschein. Der zweckgerichtete Blick der Medizin wurde längst übernommen und die Angst vor einem möglicherweise eintretenden Risiko verinnerlicht. Nicht eine Elite von Frankensteins zieht im Hintergrund die Fäden, sondern, wie auch sonst, die scheinbar unsichtbare Hand des Marktes, der Superstar der EXPO, treibt die Entfesselung der gentechnischen Zivilisation voran. Es wird unvermeidlich Biopolitik kommen, weil die technische Biomacht inzwischen ungeheuer angewachsen ist.

Vielleicht wird aus der Möglichkeit zum Abbruch eines Tages eine Pflicht - zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Die Krankenkassen könnten eines Tages argumentieren, es sei ein Privatvergnügen, dieses Kind zu bekommen, zahlen tun sie dafür aber leider nichts. An einem behinderten Kind wäre frau selbst schuld: sie hätte ja abtreiben können.

Merkmale, die sozial unerwünscht sind, können als "krankhaft" definiert werden, sobald sie genetisch testbar sind. Mit der Ausweitung des Krankheitsbegriffs gelten diejenige Personen als krank, die vom wissenschaftlich konstruierten Normkörper abweichen.

Biodressur

Der normierende Zugriff auf den Lebenswandel ist als "Gesundheitsbewußtsein" nahezu überall präsent: ob als ballaststoffreiche Bio-Kost, gut gemeinter Ratschlag der Krankenkasse zum "wirbelsäuleschonenden Bildschirmarbeitsplatz", optimale Biorhythmus-Tabelle oder als vehemente Anti-RaucherInnen-Kampagne. Suggeriert wird, daß der oder die Betroffene selbst schuld sei. Krankheit erscheint immer mehr als individuelles Problem, das bei rechtzeitiger Information und entsprechendem Verhalten vermeidbar ist. Ergebnis der Individualisierung von Krankheit ist einerseits der Druck, sich einem genetischen Check zu unterziehen und das eigene Leben den genetischen Prognosen entsprechend auszurichten, andererseits sinkt der Stellenwert der Solidargemeinschaft und die Notwendigkeit, äußere, schädigende (Umwelt-)Einflüsse zu verringern.

Überall sind biopolitische Ordnungssysteme als zukünftig richtungsweisend anerkannt. Weniger Medikamente, Privatisierung der Pflege, geringer stationärer Aufenthalt. Unter einer Bedingung: der eigenen konsequenten Körperdressur und biologischen Selbstkontrolle. "Eine wichtige Voraussetzung der Gesunderhaltung ist die Annahme gesundheitsrelevanter Verhaltensweisen in der Kindheit und ihre Beibehaltung bis ins hohe Alter." (EXPO GmbH) Nur wer sich daran ständig hält, erfährt den Bonus medizinischer Vollversorgung. Aus solchen Sanktionen ergeben sich die zukünftig relevanten gesellschaftlichen Unterschiede der Biogesellschaft, ausgedrückt im Grad der jeweiligen Abweichung von der biopolitischen Norm.

Biopolitik bedarf zu ihrer Verwirklichung der massiven Konditionierung der Einzelnen: des Schuldgefühls, das jedeR haben soll, die/der sich nicht gesundheitsgerecht verhält und zu "Risikoverhalten" wie rauchen, naschen, Übergewicht, riskanten Sportarten oder dergleichen mehr neigt. Die Grundvoraussetzung aller zukünftigen Biopolitik ergibt sich aus einem System von Überwachen und Strafen.

Das faktisch herrschende medizinische Präventionsmodell individualisiert Krankheit, macht die Menschen zum Objekt, deren "natürliche" Anlagen es zu entschlüsseln und an denen es anzusetzen gilt. Prävention und Eugenik verbinden sich zu einem undurchsichtigen Geflecht. Mit der Definitionsmacht über Normalität und mit der Macht, in Lebenszusammenhänge eingreifen zu können, bedeutet medizinisch orientierte Gesundheitsvorsorge bei genauerem Hinsehen Selektion, soziale Ausgrenzung sowie physische und psychische Gewalt.

Die Perspektiven der Prävention sind Entmündigung und Disziplinierung der Versicherten sowie die Ökonomisierung und Bürokratisierung von Krankheit und Behinderung. Die Medizin übernimmt die Rolle einer Institution sozialer Kontrolle: Wer sich angepaßt verhält, bekommt nach bestimmten Kriterien finanzielle und materielle Unterstützung. Der Präventionsgedanke wandelt sich in ein technokratisches Instrument der Medizin, das auf individuelle Schuldzuweisung und persönliche Verantwortung setzt und unausweichlich zur Entsolidarisierung des Sozialsystems führt.

Surival of the prettiest

Mit der Entwicklung eines "Schönheitssalons" im Themenpark der EXPO und der Einbeziehung von "kompetenten Partnern aus der Fitneßbranche" und solchen aus "der Welt der Kosmetik und Mode" sollen die BesucherInnen "ermutigt" werden, "aktiv zu sein und ihren Körper zu kultivieren".

Gesundheit, Schönheit, Fitneß und Leistungsfähigkeit sind die Grundwerte des Normalisierungsdenkens im Alltag. Wer funktioniert, wer selbst- und fremdauferlegte Anforderungen pausenlos erfüllt, gilt als gesund. Krankheit bedeutet, Leistungsmängel nicht ausgleichen zu können. Fitneß, der Sieg im Kampf ums Dasein, markiert die Schnittstelle zwischen den Neuerungen der Produktionsweise und der neuen Lebensweise. GesundheitspolitikerInnen sprechen zunehmend in der Sprache der Ökonomie. Aus Menschen werden "molekulare Systeme", aus Krankenhäusern "Forschungsressourcen" und aus der Politik eine "Beschaffungsagentur" für Pharmakonzerne und Joint-Venture-Unternehmen, alles im Namen eines "effizienten Gesundheitsmanagement".

Der Gesundheitswahn und Körperkult scheint keine Grenzen zu kennen. Während Touristikunternehmen billige Faceliftingreisen von der BRD nach Polen anbieten, findet das Leni-Riefenstahl-Revival mit einer Ausstellung in Potsdam und dem "Stripped"-Videoclip von Rammstein in jedem Wohnzimmer statt und per Internet werden Eizellen von Models mit einer überwältigenden Nachfrage versteigert. Die EXPO GmbH zeigt Verständnis für den "Wunsch nach dem perfekten Menschen", der durch die "Möglichkeiten des Klonens in greifbare Nähe gerückt" ist. Ein Gesellschaftsentwurf, der auf Vermeidung, Verhinderung und einem Verlassen all jener basiert, die nicht der Utopie von Gesundheit und Normalität entsprechen, hat wieder Hochkunjunktur.

Der Mensch der Zukunft wird ein Produkt der Planung sein. Die Leibgeber - früher waren es die Eltern, in Zukunft werden es die Samenspender, Mütter, Leihmütter, Laborangestellten und Genbanken sein - werden einen Menschen in die Welt entlassen, der sich als leibhafte Investition empfinden muß. Es entsteht eine Leibeigenschaft neuen Typs. Wer in Zukunft seine Identität erfahren will, wird die Kataloge studieren müssen, mit deren Hilfe ihre/seine Eigenschaften zusammengekauft wurden.

Denkbar sind Prozesse von Kindern gegen ihre Eltern, die einen Schadenersatz einklagen wegen zu billiger Machart, oder, was sogar schon vorgekommen ist, Kinder, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommen, werden Eltern verklagen, weil sie es unterlassen haben, sie abzutreiben.

Wer von einer leidfreien Gesellschaft träumt, steht immer in der Gefahr, Kranke auszusondern und auszumerzen. Aus der Überbetonung des Gesunden erwächst leicht die Herrschaft der Gesunden. Das gerade vorherrschende Wertesystem einer Gesellschaft entscheidet, wer abgewertet wird. Eine Gesellschaft wird nämlich nur jene abwerten, die das Gegenteil von dem verkörpern, was der Gesellschaft wert ist.

Die Sehnsucht, so genormt und leblos zu sein wie serielle Produkte, aktualisiert gleichzeitig die Einsicht, es nicht zu sein. Diese Differenz kann auch durch die bunten Bilder, Modelle und dreidimensionalen Illusionen der EXPO nicht aus der Menschenwelt geschafft werden.

grenzenlose Zurichtung als Programm

Im Laufe der Medizingeschichte hat sich eine Sichtweise auf den menschlichen Körper durchgesetzt, die diesen als mehr oder weniger funktionstüchtige Maschine begreift: resistent gegen Krankheiten, kaum mehr verschleißanfällig und mit unendlicher Lebenserwartung. Im Themenfeld "Der Mensch" der EXPO wird die/der BesucherIn in einem überdimensionalen menschlichem Körper herumlaufen können. "Auf den Spuren der Gen- und Hirnforscher begeben sich die Besucher in eine Reise nach innen", wandern "zu einem überdimensionalen Herzen", können "in die faszinierende Welt des Gehirns eintauchen" und "zu den Geheimnissen der Menschen vordringen, tiefer als je zuvor".

Mit dem verdinglichten menschlichem Körper soll der Blick auf uns selbst antrainiert werden, unseren Körper nicht als Teil von uns selbst zu verstehen, sondern als eine Ressource, die mehr oder weniger gut geworden ist. Der "Gläserne Mensch" soll mit Hilfe modernster Medientechniken als "Virtueller Mensch" "zum Leben erweckt" werden. "Wunschziel" der PlanerInnen: unser virtuelles Spiegelbild "nach unseren Träumen verändern". Wenn das Gewordene Mängel aufweist, dann wird es halt neu gemacht. So die Botschaft, die auf der EXPO vermittelt werden soll.

Die Zähmung und Züchtung des Menschen in nicht allzu ferner Zukunft ist noch unendlich wirkungsvoller mit Methoden, die nicht am Verhalten und am Bewußtsein ansetzen, sondern auf die biologische Substanz durchgreifen. Nicht nur die Software wird umprogrammiert, sondern die Hardware kann umgebaut werden. Die genetische Landkarte des HUGO-Projekts ist die Grundlage für alle weiteren gentechnischen Anwendungen am Menschen - von genetischen Tests über die Entwicklung von Medikamenten bis hin zur Genmanipulation an Körper- und Geschlechtszellen. Im begehbaren Menschen sollen die BesucherInnen "selbst Proteine herstellen und dabei die komplexen Funktionsmechanismen des genetischen Codes kennnenlernen". So begreifen die BesucherInnen spielend: Partizipieren heißt Mitmanipulieren, und alle sind dabei. Um SchülerInnen, eine der Hauptzielgruppen, die "völlig neuen Möglichkeiten" der (somatischen) Gentherapie und den Segen von gentechnisch hergestellten Arzneimitteln nahezubringen, hat die EXPO GmbH eigens eine Arbeitsblattreihe für LehrerInnen herausgegeben.

Im Themenbereich "Die Gesundheit" wird gefragt, welchen "Beitrag" die Gentechnologie zum "Management von Krankheit und Gesundheit" leistet. Deutlich wird, wie die Ausblendung der sozialen Hintergründe von Krankheit und der Individualisierung von Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit medizinischen Normen und ökonomischen Verwertungskriterien biopolitisch wirkt. Eine wichtige Ursache für Krankheiten - eine krankmachende Umgebung - wird nicht benannt, sondern der Anpassung des Menschen das Wort geredet. Bezeichnenderweise sind gerade die Krankheiten, bei denen durch gentechnologisch durchgeführte Diagnose- und Therapieverfahren der große Durchbruch erwartet wird, fast ausschließlich Zivilisationkrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes.

Der Gesundheitsdiskurs der EXPO-MacherInnen ist menschenfeindlich: Menschen kommen in ihm gar nicht mehr vor. Es fehlt ein Standpunkt und vor allem: persönliche Geschichten. Menschen werden durch Meßwerte und graphische Profile ersetzt. Gesundheit wird nach normativen Regeln bemessen: Gesund ist, wer Sport treibt, auf Tabak verzichtet, Vollkornprodukte konsumiert und geliebt wird. Wegen letztgenanntem fällt laut EXPO GmbH Frauen ein "besonderer Stellenwert" zu, da Liebe ein "grundlegender, entscheidender Gesundheitsfaktor" sei und jemanden zu lieben, so wird es zumindest impliziert, sei Frauenaufgabe.

Die Medizin gibt vor, was ein gesunder Körper ist - normierend, homogenisierend und objektiv. Der menschliche Körper wird neu entworfen - und zwar nach den Erfordernissen der industriellen Massenproduktion. Kranke werden zum gestörten "molekularen System", die Möglichkeiten der gentechnologischen Produktion solcher "Systembestandteile" werden zum logischen Handlungsimperativ. Denn wer unverstandene Krebsleiden, unklare Leberentzündungen, Herzinfarkte oder Altersdemenz allein auf die Ebene der Zelle zwingt, der muß auch dort die "Lösung" suchen.

genetisches Doping

Nicht nur für Models gilt: Mein Körper ist mein Kapital. Die Sichtweise auf uns selbst als besitzbares Werkzeug hat zur Folge, daß wir dieses Werkzeug absichern müssen. Die Verwertungslogik fordert zudem, im Wettbewerb diese Werkzeuge ständig zu verbessern oder vor zukünftigen Unzulänglichkeiten zu bewahren. Der Wunsch, seinen Körperbesitz zu optimieren, ist Ansatzpunkt für die Versprechungen der GentherapeutInnen und legitimiert die somatische Gentherapie oder aber auch - das dann aber noch nicht in der BRD, weil bisher verboten - den Eingriff in die Keimbahn, um zudem den eigenen Nachwuchs zu verbessern. "Neue Menschen braucht das Land?" (EXPO GmbH)

Wer bezahlen kann, konsumiert Gesundheit nach dem Einbau-/Ersatzteilmodell. Der optimal zusammengesetzte, selbstbewirtschaftete Körper wird zum individuellen Privileg und Produktionsmittel.

Gentherapie ist der Oberbegriff für eine Vielzahl von Methoden, bei denen durch Verpflanzung von Genen ein heilender Effekt auf eine Krankheit erzielt werden soll. Unterschieden werden die somatische Gentherapie - der Gentransfer in Körperzellen - und die Keimbahntherapie oder Keimbahnmanipulation. Bei letzterer erfolgt der Gentransfer in die Keimzellen, also in Eizellen oder Spermien oder in frühe Embryonalzellen. Dieser Eingriff wird an die nachfolgenden Generationen weitergegeben und verändert sämtliche Zellen des Organismus mit dem Ziel, zukünftige Generationen qualitativ zu verbessern.

In einer komplizierten Welt versprechen die GenforscherInnen einfache Lösungen: "intaktes Gen einfügen - Problem gelöst". Der verengte Blick auf die Gene versperrt die Sicht auf die vielen anderen Facetten des Phänomens Krankheit: Psychosoziale Faktoren, krankmachende Konsum-, Arbeits- und Lebensumstände - all diese Aspekte geraten im Zuge des molekularen Denkens zur Nebensache. Bei "einer erblichen Veranlagung zu einer seelischen Krankheit" sei "die Möglichkeiten der Umgestaltung von Verhaltensweisen eingeschränkt" stellt die EXPO GmbH klar. Die Konstitution der/des einzelnen steht bei einer genetischen Erkrankung im Vordergrund der Betrachtungsweise. Die Folge ist eine Medizin, die den Menschen als molekulare Maschine begreift, die beliebig zu steuern, zu reparieren und zu programmieren ist. Die Reparaturmethode Gentherapie kommt auch ohne das Verständnis der Krankheitsursache aus.

Bisher wurde noch keinE PatientIn durch eine Gentherapie geheilt und dennoch findet eine kontinuierliche Ausweitung der Experimente auf immer neue Krankheitsbilder statt. Während sich die Therapieversprechen zunehmend als uneinlösbar erweisen - die somatische Gentherapie forderte erst kürzlich mehrere Todesopfer -, werden andere Ziele der Gentechnik deutlicher: Es geht um Einsparungen im Gesundheitswesen durch kostengünstige Selektion per Testdiagnostik, um lukrative Verfügbarkeit von Organen, Geweben, Zellen, Genen, Daten - um die Ausbeutbarkeit und Inbesitznahme der letzten Ressourcen: der Materialien Pflanze, Tier und Mensch.

Gene für den Staatsschutz

Die Genomanalyse wird nicht zuletzt auch in Strafverfahren angewandt. Das Gläserne Labor in Berlin-Buch, eines der vielen dezentralen EXPO-Projekte, vermittelt das "ABC der Gentechnik". Beim "Erlebnis Genforschung" können BesucherInnen hier "in die Rolle von Genforschern schlüpfen und gemeinsam mit Wissenschaftlern grundlegende gentechnische Versuche durchführen". Die DNS wird "mit einfachen Mitteln" isoliert und bearbeitet oder am virtuellen Tatort ein "Verdächtiger" via DNS-Fingerprinting überführt. Experimente für Schulklassen sind ein Angebot der Museumspädagogik und ein idealer Schachzug, um Mitmachbereitschaft zu erzeugen. In Miniatur wird hier popularisiert, was bereits gesellschaftliche Realität ist.

Ebenfalls an SchülerInnen richtet sich der Arbeitsbogen der EXPO GmbH, auf dem lang und breit der genetische Fingerabdruck erklärt und mit einem Bildchen dafür geworben wird.

Der sogenannte genetische Fingerabdruck ist der Traum einer/-s jeden KriminalbeamtIn. Jeder Mensch verliert ständig Haare und Hautschuppen. Mit Hilfe von genetischen Rasterfahndungen kann innerhalb einer größeren Menschengruppe nach Tätern gefahndet werden. Statt mühsam Indizien zu sammeln oder in einem zeitraubenden Procedere Fingerabdrücke abzugleichen, genügt eine winzige Spur und eine ausreichend große Datenbank, um StraftäterInnen zu überführen - das ist die Hoffnung, und deshalb floß das Geld in Strömen.

Nachdem die technische Lösung gefunden war, fehlte dem Bundeskriminalamt (BKA) nur noch die rechtliche Grundlage, sie in die Praxis umzusetzen. Natürlich haben sie nicht so lange gewartet, bis ein entsprechendes Gesetz verabschiedet war, sondern legten gleich schon mal los: bereits 1993 wurde ein BKA-Beamter, der dem "Stern" Unterlagen aus dem Fall "Bad Kleinen" übermittelt haben soll, aufgrund des Speichels auf der Briefmarke wegen Geheimnisverrats verurteilt. Ohne gesetzliche Regelung wurden schon tausenden von StraftäterInnen DNS-Proben entnommen, um bei Bedarf genetische Fingerabdrücke zu erstellen, Hunderte waren bereits beim BKA gespeichert.

Während der genetische Fingerabdruck als Kontrollinstrument in der Einwanderungspolitik seit 1993 angewendet wird, ordnete der damalige Innenminister Kanther im April 1998 ohne jegliche gesetzliche Grundlage die Einrichtung einer zentralen DNS-Analyse-Datei zu Fahndungszwecken beim BKA an.

Bei der Durchsetzung der DNS-Speicherung im Rahmen von politischen Ermittlungsverfahren spielte Niedersachsen die Vorreiterrolle: Bereits im Sommer 1981 ordnete das Amtsgericht Braunschweig eine DNS-Analyse bei drei "Verdächtigen" an. Das Verdachtsmoment: "antifaschistisch aktiv". Seit Ende der 80er Jahre ist der genetische Fingerabdruck als Beweismittel im Rahmen von Strafverfahren bei konkret Verdächtigen zugelassen.

Am Tag der deutschen Einheit 1997 wurden Menschen, die mit dem antirassistischem Anschlag auf eine Kaiser’s-Filiale in Berlin in Zusammenhang gebracht wurden, zu Genproben gezwungen. Kurz darauf wurde in Göttingen im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung einer Frau eine Speichelprobe zur DNS-Analyse entnommen. Und nicht zuletzt die sogenannte "Aktion Goldene Hakenkralle", bei der im Juli 1999 Genproben von AtomkraftgegnerInnen mitgenommen wurden.

Mit der Einführung des DNS-Indentitätsfeststellungsgesetzes und der Änderung der Strafprozeßordnung wurden inzwischen die rechtlichen Voraussetzungen für die präventive Speicherung genetischer Fingerabdrücke in der zentralen Gendatei beim Bundeskriminalamt geschaffen. Mit Hilfe dieser Datei soll künftig automatisch jede an einem Tatort gefundene genetische Information gespeichert werden und mit den genetischen Fingerabdrücken in der Gendatei verglichen werden. Die DNS-Analyse kann nun auch zwangsweise durchgeführt werden - ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit -, wenn jemand einer "Straftat von erheblicher Bedeutung" beschuldigt wird. Fast jedeR, die/der nicht gerade ein Bagatelldelikt begeht, ist in dieser breiten Definition unterzubringen. In einigen Bundesländern wird bereits an der systematischen Erfassung aller Strafgefangenen, die mit mindestens einem Jahr ohne Bewährung bestraft wurden, gearbeitet.

In Zukunft kann allein die politische Überzeugung einer/-s Beschuldigten als "Beweis" dafür herangezogen werden, daß sie oder er weitere Straftaten begehen könne. Anfang Oktober 1999 ist dies bereits mit der präventiven Speicherung des genetischen Fingerabdrucks einer Person durch einen Braunschweiger Ermittlungsrichter passiert. Die Genentnahme diente in diesem Fall nicht der Beweisfindung, sondern allein als präventive Speicherung für prognostizierte zukünftige Strafverfahren. Die Prognose weiterer zu erwartender Verfahren stützte sich in diesem Fall auf die "Persönlichkeit" des Beschuldigten und seiner Vorstrafen.

Die gesellschaftliche Akzeptanz der massenhaften Speicherung genetischer Informationen wurde durch die in den letzten Jahren im medialen Trommelfeuer spektakulär aufbereiteten Sexualverbrechen an Kindern und Jugendlichen geschaffen. Die Folgen bringt ein BILD-Titel anläßlich eines Speicheltests an 18.000 Männern im Raum Cloppenburg exemplarisch auf den Punkt: "Jeder weiß: Wer nicht kommt, macht sich verdächtig". Der Tatverdacht gründete sich allein auf Wohnort, Alter und Geschlecht. Die Beweislast liegt beim überprüfbar gewordenen Träger einer potentiell verdächtigen DNS, die Öffentlichkeit schaut zu, bangt mit den Ermittlungsbehörden und vergißt die letzten Reste rechtsstaatlicher Errungenschaften.

Die technokratische Parole von PolizeifahnderInnen wie HumangenetikerInnen lautet nun: JedeR ist verdächtig, einE StraftäterIn oder ErbkrankeR zu sein - es sei denn, eine Genanalyse beweist das Gegenteil. Mit zunehmender Technisierung der Polizeiarbeit wird das Prinzip der Unschuldsvermutung schrittweise umgekehrt. Trotz umstrittener Treffsicherheit verführen die vermeintlich objektiven Laborergebnisse dazu, das Urteil auf medizinische Sachbeweise zu stützen und Personenaussagen zu vernachlässigen.

Doch die Träume der Polizeibehörden gehen längst weiter: Auf Fachtagungen wurde bereits über die Abnahme des genetischen Fingerabdrucks jeder/-s BürgerIn bei ihrer/seiner Geburt diskutiert. Die EXPO GmbH zitiert das Basler Kriminalkommissariat, das es "verlockend" findet, "von jedem Neugeborenen aus rein kriminalistischen Erwägungen gleich bei der Geburt das DNS-Profil zu nehmen".

genetische Kontrolle

Heutzutage weiß kaum jemand, welche Daten in den elektronischen Netzen, etwa der Sozialversicherung, über sie/ihn gespeichert sind. Daten über Gene verschärfen das Problem, weil ihre Aussagekraft und Glaubwürdigkeit besonders hoch eingeschätzt wird. Zugleich schwinden die Möglichkeiten zu kontrollieren, wer welche Informationen mit gentechnischen Methoden erhebt und in wessen Hände die persönlichen Gen-Daten gelangen. Denn schon ein verlorenes Haar oder ein Blutstropfen genügen für einen Gentest. Das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" wird so durch die enthemmte gentechnische Entwicklung ausgehöhlt.

In Island wurde mit dem Aufbau einer nationalen Gen-Datenbank begonnen. Wenn von der vorgeburtlichen Diagnose bis zu Krankheitsbild und Medikation, von der Röntgenaufnahme bis zu Blut- und Gewebeanalyse und zum Totenschein alles gespeichert, verknüpft und abgeglichen wird, dürfte die Datenbank auch andere interessieren: etwa MedikametenherstellerInnen, Krankenkassen, GesundheitsplanerInnen, Versicherungswirtschaft und nicht zuletzt unternehmerische Personalpolitik.

Wenn das Projekt HUGO abgeschlossen ist, wird es möglich sein, aus dem zur Erstellung des genetischen Fingerabdrucks verwendeten DNS-Strangs die Erbinformation herauslesen zu können. Besonderes Interesse gilt dabei der Hoffnung, irgendwann ein "Verbrecher-Gen" zu finden.

Die Gentechnik wird kommen "wie ein Naturgesetz" (EXPO-Beauftragter von Siemens). Schleichend verabschiedet sich die Politik - und die gesellschaftliche Gestaltung wird dem genetischen Code überantwortet.

(Empfohlene) Literatur:

  • Anti-EXPO-Reader Teil 1+2, Juni + August 1999, hier insbesondere: "Expo, Biopolitik und Herrschaft" von Hans Hansen und "Wahrsagerei und Kannibalismus - ein Essay zu Biomedizin und Genetik" von Volka Macke. Bezug gegen jeweils 2,- zzgl. Porto über Anti-EXPO-AG, c/o AStA Uni Hannover, Welfengarten 2c, 30167 Hannover.
  • alaska Nr. 228, Oktober 1999, hier insbesondere: "Expo 2000 - Technokratie mit Genderberatung. Feministische Verwirrungen im Vorfeld der EXPO 2000" von mamba.
  • "Kontrollieren, Selektieren, Normieren, Manipulieren. Beiträge gegen Bio-, Gen- und Fortpflanzungstechnologien", 1991, hier insbesondere: "»Mensch - Natur - Technik«: Gentechnologie, Medical Park und Expo 2000" vom AK Wissenschaftskritik, Hannover und "Antifaschisten im Fadenkreuz der Genomanalyse" von Antifa-Prozeßgruppe, Braunschweig.
  • BioSkop. Zeitschrift zur Beobachtung der Biowissenschaften. Bezug über: BioSkop e.V., Bochumer Landstr. 144a, 45276 Essen.

 

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