1. Globale Scalierung als Fundament für allerlei Hokuspokus

Wenn ich Bekannte aus wissenschaftlichen Kreisen bitte, mich bei der Recherche zu den Inhalten von "Global Scaling"® zu unterstützen, stoße ich fast immer auf Ablehnung. Denn der erste Blick auf das, was von "Global Scaling"® behauptet wird, führt auf das bekannte Sammelsurium von ziemlich unseriösen scheinwissenschaftlichen Behauptungen, die nur in bestimmten Kreisen immer wieder hochgepuscht werden und mit denen ernsthafte Wissenschaftler ihre Zeit nicht verschwenden wollen. Was finden wir hier alles?

1.1. Historischer und statistischer Humbug

Am phantastischsten ist wohl die Behauptung, dass nicht nur die altägyptischen Erbauer der Pyramiden, sondern bereits steinzeitliche Menschen bei der Musterung von Gerätschaften die Erkenntnisse von "Global Scaling"® gekannt haben sollen. Wie an verschiedenen Stellen ausgeführt wird (special: 61, 97 ff., 182 f.), sollen einige steinzeitliche Knochenmuster und die Maße von Pyramiden bestimmten Zahlenwerten entsprechen. Um diese Zahlenwerte zu kennen, müssten die Menschen damals aber bereits solche Werte wie die Masse von Protonen gekannt haben (warum dies so ist, erkläre ich später). Aber von solch einem Mysterium lässt sich die Spekulationen überhaupt nicht stören.

Etwas gegenwärtiger und alltagspraktischer ist dagegen ein anderer Clou: Aus den Erkenntnissen von "Global Scaling"® heraus soll es möglich sein, signifikante Aussagen über die Wahrscheinlichkeit von Lottozahlen zu machen. Es wird behauptet: "Während globaler Fluktuationen werden in allen Ländern rund um den Globus fast identische Zahlen gezogen!" (special: 185). Wenn wir nur das im Text genannte Beispiel der "fast identischen Zahlen" anschauen, so stehen dort die beiden Zahlenreihen (1,6,8,9,13,20,29) und (6,9,14,15,18,28,45). Hier sind gerade mal zwei Zahlen identisch. Allerdings ist dieses Zusammentreffen keinesfalls besonders selten. Die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten von zwei Zahlen in solch einer Konstellation ist 3/8 (Zahlenwert 0.375). Auf dieser Grundlage ist es möglich, sich auf den Webseiten von globalscaling.de kostenpflichtig (290 Euro pro Jahr) anzumelden, um von diesem "Wissen" zu profitieren. Natürlich gibt es im Internet eifrige Geister, die das alles mal nachprüfen und selbstverständlich - wer hätte auch ernsthaft etwas anderes erwartet - steckt nichts als heiße Luft hinter der Lotto-Behauptung (siehe Groegel 2007).

1.2. Pathologische Scheinwissenschaft

Andere Behauptungen von GS® beziehen sich auf Befunde, die innerhalb der Wissenschaft als sog. "pathologische Wissenschaft" gewertet werden. Das bedeutet, dass auch von Wissenschaftlern ab und zu anscheinend neuartige Phänomene gefunden werden, bei denen sich aber im Laufe der Zeit heraus stellt, dass sie auf Irrtümern, Messfehlern oder Verunreinigungen beruhen. Typisch für diese Phänomene ist es, dass sie sich nur von ihren "Entdeckern" reproduzieren lassen und nicht von anderen. Um den Anspruch an die Gültigkeit der Entdeckung zu retten, werden zumeist phantastische Theorien, die oft der Erfahrung widersprechen, aufgestellt (Langmuir 1953). "Global Scaling"® will eine solche Theorie für verschiedene dieser Konzepte sein. So unterstützt sie das Konzept der Schwerkraftabschirmung (special: 6-11, 87, 239 ff), der Überlichtgeschwindigkeit (ebd.: 12-15, 87), der Kalten Kernfusion (ebd.: 43, 45, 87), des Polywassers (ebd.: 71 ff.) und des Aktivierten Wassers (ebd.: 77). Die genannten Phänomene werden als gesicherte Tatsachen der Wissenschaft dargestellt und dienen hier als Beweise für die "Global Scaling"®-Theorie. Wo es sich nicht vermeiden lässt zu vermerken, dass die Phänomene wie die Kalte Kernfusion in der Wissenschaft nicht unumstritten (tatsächlich sogar widerlegt und zurückgewiesen) sind, wird triumphalisch gerade die GSâ-Theorie als "Beweis" eingesetzt. Auf diese Weise schließen sich die Zirkel und die daran Glaubenden wollen nicht sehen, dass zwei unwahre Konzepte, die sich gegenseitig stützen, nur ein doppelter Irrtum sind und nicht zur Wahrheit werden.

1.3. Idealistisches Blendwerk

Dabei muss innerhalb der Weltanschauung von GS® die Wahrheit nicht unbedingt etwas mit einer von unserem Bewusstsein unabhängigen Verfasstheit der Welt zu tun haben. Denn, wie in der Werbung für ein stark global-scaling-bezogenes "1. Internationales Genesis-Symposium" in München 2004 ausgeführt wird: "Experimentalstudien belegen, dass Menschen auf direktem geistigen Weg auf unbelebte Materie beziehungsweise maschinelle Systeme einwirken können" (special: 276). Mit voller Brust wird behauptet: "Physikalische Prozesse können mental manipuliert werden, selbst über große Entfernungen." (special: 290) Als in einer Veranstaltung genauer nachgefragt wurde, ob das denn tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen wurde, gab H. Müller folgende Erläuterung:

"Also, diese Frage kann man auf zwei Weisen beantworten: Man kann das physikalisch untersuchen wollen, dann bekommt man das Ergebnis, dass wenige physikalische Prozesse mental zu beeinflussen sind, d.h. in verschwindend geringer Anzahl. Man kann das aber auch anders betrachten. "Es gibt ja auch den Menschen und der Mensch tut das ja alltäglich." Der erste Weg sei für Leute, die alles unter Zweifel stellen: "Obwohl man es alltäglich vor Augen hat, muss man es ja noch beweisen." Der zweite Weg bestehe darin, das Offensichtliche zu glauben." (Müller 2008, kursiv von A.S.) Offensichtlich ist es dann wohl auch, dass sogar ein kleines Atömchen so richtig bewusst und intelligent drüber nachdenkt, wie es sich verhält: "Jede Materie ist intelligent, auch ein Atom. Jedes Atom versucht, im energetisch niedrigsten Zustand zu verbleiben, um möglichst wenig Energie zu verbrauchen, denn seine Ressourcen sind begrenzt. Um möglichst lange energetischen Stress zu vermeiden, entwickelt Materie Mechanismen der Rückkopplung, die intelligentes Verhalten zur Folge haben." (special: 290) Mit solch einer Definition von Intelligenz wird die Frage, wie intelligent solche Theorien sind, wohl gegenstandslos.
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