Neue Arbeit für Mühlheim

Institut für Neue Arbeit

Wege aus der Krise der Arbeit

... und anderswo

 

 

Gemeinsam bauen, wohnen, arbeiten :
Die Sozialistische Selbsthilfe Köln-Mühlheim (SSM)

Hamburg, den 22.8.96
von Hilmar Kunath

Die SSM besteht aus 10 Erwachsenen, die zum Teil schon über 20 Jahre in diesem Projekt zusammenleben und arbeiten. Zwei davon sind in der Gruppe mit und werden von ihr betreut. Außerdem leben einige Kinder und Jugendliche in dem Projekt. Es gibt auch noch ein paar Katzen, ein kleines Gehege mit zwei Ziegen, ein anderes mit etlichen Hühnern und zwei Enten. Lose an das Projekt angelehnt leben noch ca. 10 weitere Leute in selbst ausgebauten Wohnungen unter denselben Dächern. Zwei kleine Wohnwagen dienen als Räume für die Jugendlichen. Auf einem alten Fabrikgelände einer früheren Schnapsbrennerei mit vier Gebäuden hat sich die Gruppe für alle Wohnräume ausgebaut. Den Lebensunterhalt verdient sie sich hauptsächlich durch Wohnungsauflösungen und Umzüge. Außerdem gibt es auf dem Gelände zwei Läden; einen für Möbel, Kühlschränke und Waschmaschinen und einen für Second-hand-Kleidung, Bücher, Schallplatten, Bilder usw. Die SSM arbeitet in eine gemeinsame Kasse. Wöchentlich bekommt jedes Mitglied daraus 100 DM für alle persönlichen Bedürfnisse ausgezahlt. Auch für die Kinder erhalten die Eltern den gleichen Betrag. Sonderausgaben für Anschaffungen, Urlaub usw. können in der Versammlung beantragt werden. Von Montag bis Freitag wird umschichtig für alle ein Mittagessen gekocht. Die Wochenenden sind in der Regel arbeitsfrei. Für die Wohnungsauflösungen und vieles andere hat die Gruppe einen kleinen gebrauchten LKW. Die Leute von der SSM arbeiten und wohnen nicht nur zusammen, sondern machen auch zusammen Stadtteilarbeit. Sie sind zum Beispiel aktiv in der Jugend- und Kinderarbeit im Böcking-Treff, in der Kulturarbeit im Kulturbunker, der Obdachlosenarbeit durch Organisierung von Winterschlafstellen für Obdachlose, in der Mitarbeit am Kölner Volksblatt. Sie unterstützen weitere Projekte »Bauen, Wohnen, Arbeiten« und vieles andere. Der Alltag beginnt um 9 Uhr mit einer ausführlichen Tagesbesprechung Eine(r) hat dann für 24 Stunden »Verantwortung« gehabt und leitet jetzt die Diskussion. Verantwortung bedeutet eine Art Aufsicht und Schlüsselgewalt über das Gelände. Auch ist die »Verantwortung« Ansprech-partnerIn für plötzlich auftauchende Arbeitsprobleme, für Gäste und BesucherInnen, Aufsicht über die Kinder, über die Küche und das Bürotelefon. Zu Beginn der Versammlung wird von allen kurz über die Arbeit vom Vortag berichtet. Auch von eventuellen Abendtreffen verschiedener Stadtteilinitiativen wird von den Teilnehmenden erzählt. Dann werden mittel- und langfristige Vorhaben besprochen, z.B. der Umbau des Möbellagers, der Ausbau weiterer Wohnungen. Auch aktuell Politisches oder Kulturelles kann eingebracht werden, ebenso Anträge der einzelnen Mitglieder (z.B: bezüglich der Urlaubsplanung). Zum Schluß werden die Arbeitsvorhaben des nächsten Tages besprochen, die dazu notwendige Arbeit auf die Anwesenden verteilt und eine neue »Verantwortung« bestimmt. Nach der Versammlung geht es direkt an die einzelnen Arbeiten. Die LKW-Besatzung fährt in der Regel zu einerHaushaltsauflösung. Die beiden Läden werden geöffnet. Die Baumaßnahmen werden fortgeführt usw. Um ca. 14 Uhr 30 gibt es Mittagessen für alle. Die Arbeit dauert bis ca. 18 Uhr 30. Jede(r) hat auch einen kleinen Privathaushalt für Frühstück, Abendbrot und die Wochenenden. Von den Projekten, die vom SSM aufgebaut wurden, sollen hier zwei als Beispiel kurz dargestellt werden: der Kulturbunker e.V. und der Verein »Bauen, Wohnen, Arbeiten«. 1.) Der Kulturbunker ist tatsächlich ein stehengebliebener großer Bunker aus dem zweiten Weltkrieg. Er ist inzwischen bunt angemalt worden. Der Bau wird von dem Kulturverein betreut und renoviert. Dazu sind drei ABM-Stellen eingerichtet worden. Es sind schon ein paar Kunstausstellungen, eine Dokumentation über Köln im 2. Weltkrieg und mehrere Musikveranstaltungen dort durchgeführt worden. Im Keller wurden Übungsräume für Musiker ausgebaut. Es gibt auch eine Werkstatt und einen großen Veranstaltungsraum. Weitergehende Umbaupläne, die beim Rat der Stadt Köln eingereicht wurden, sind dort erst einmal wegen Geldmangel auf Eis gelegt worden. 2.) Auch in Köln wird ein größeres Kasernengelände frei. Überwiegend planen das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Köln dort Sozial- und Eigentumswohnungen, die »private Investoren« errichten sollen. Zusammen mit einigen Obdachloseninitiativen, SozialarbeiterInnen und anderen Interessierten hat die SSM einen Verein »Bauen, Wohnen, Arbeiten« gegründet und sich um ein größeres Gebäude aus dem riesigen zur zivilen Nutzung anstehenden Komplex bemüht. Das Haus soll zur Hälfte von Familien und zur anderen Hälfte von Obdachlosen bewohnt werden. Die Gruppe will gemeinsam ihre Wohnungen planen und bauen. Dann sollen im selben Gebäude auch gemeinsame Werkstätten entstehen, die vom selben Verein betrieben werden. Neben Wohnungsauflösungen und Umzügen, ist an eine Metall- und Holzwerkstatt gedacht. Auch eine Fahrradwerkstatt wäre möglich. Gemüsecontainer zum intensiven Anbau von Gemüse zur Selbstversorgung und für andere Projekte sind im Gespräch. Auch eine Stadtteilküche (»Essen auf Rädern«) wäre möglich, die gleichzeitig für die Hausbewohner kocht. Gerade hat das Ministerium in Düsseldorf seine grundsätzliche Zustimmung für das Projekt gegeben. Eine erste Besichtigung des vorgesehenen Gebäudes und Geländes durch die Initiativen soll vom Fernsehen (WDR) begleitet werden.

Um das gemeinsame Leben und Arbeiten kennenzulernen,bietet die SSM Interessierten aus Köln und anderswo an, als Praktikum eine oder mehrere Wochen dort mitzumachen.

Hier die Adresse und Telefon: SSM Duesseldorfer Str. 74, 51063 Koeln, Tel. 0221 / 6403152

veröffentlicht in CONTRASTE 11/96

 

 

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