Neue Arbeit für Mühlheim

Institut für Neue Arbeit

Wege aus der Krise der Arbeit

... und anderswo

 

 

Katja Einsfeld

Eindrücke von einer Woche
Abenteuerurlaub beim SSM

Ich bin 21 Jahre und studiere Informatik in Kaiserslautern. Jedes zweite Wochenende spiele ich Orgel im Gottesdienst, was mich aber nicht davon abhält, meinen Glauben für mich so frei festzulegen, wie ich das möchte. Wenn dann noch Zeit ist, lese ich gerne und betätige mich künstlerisch (nähen, zeichnen, ...). Zum Ausgleich von all dem brauche ich ab und zu die totale Kraftauslastung (Fahrradfahren, Hau-Ruck-Aktionen, ...). Ich verweigere alle Drogen, bin recht still und zurückhaltend, aber sehr zäh.

Von der SSM habe ich über das Internet erfahren, über die Homepage des INA. Auf diese Seite bin ich über die AG Kritische Uni Kaiserlautern aufmerksam geworden, bei der (vor meiner Zeit) eine Veranstaltung zur SSM stattfand. Da ich schon öfter festgestellt habe, dass - gerade Gruppen aus der linken Szene - sich auf dem Papier besser anhören als sie in der Realität sind, habe ich mir im Vorfeld nicht zu viele Hoffnungen gemacht. Ich hatte nur das abstrakte Gefühl, dass ich Menschen treffen werde, die einfach nicht aufgeben, die stark an ihren Zielen festhalten, die mit den unterschiedlichsten Menschen klarkommen, die mir erst einmal uneingeschränktes Vertrauen entgegenbringen, die ..., Menschen eben. Von dieser Woche bei der SSM habe ich einfach gehofft, dass mein Gefühl richtig war und ich nette Menschen treffen würde. Außerdem war ich unheimlich neugierig, wie eine solche Gemeinschaft, in der jeder gleich viel Chef ist und in der Arbeit keine Last sein soll, in der Realität funktioniert. Von eventuellen Erkenntnissen wünschte ich mir Anregung zu dem, was mein Leben und ich noch so auf die Beine stellen können, denn der Traum von einer großen Lebensgemeinschaft (wenigstens das, wenn ich nicht gleich eine menschliche Welt bekommen kann) verfolgt mich schon einige Zeit. Was die Menschen, die ich hier getroffen habe angeht, sind meine Hoffnungen noch übertroffen worden. Ich fand es faszinierend und wahnsinnig spannend, wie sehr unterschiedliche Charaktere (Menschen mit unterschiedlichen Vorgeschichten, Alter, ...) irgendwie klarkommen und sich gar gegenseitig ergänzen. So hatte ich den Eindruck, dass vielen dieser Leute das Zusammenleben und ­arbeiten in der SSM erst zum erfüllten Dasein verhilft. Vorteilhaft fand ich auf jeden Fall, dass Leben und Arbeiten am gleichen Ort stattfinden und dadurch ineinander wachsen können, dass jeder alles machen darf, aber nicht muss, was zur Folge hat, dass selbst Männer sich mal an den Kochtopf trauen und auf diese Weise viele abwechslungsreiche und leckere Mahlzeiten entstehen. Ganz toll fand ich auch, dass mir sofort vertraut wurde (Geld, Schlüssel übergeben, aufbewahren) und dass selbst Leute, die mir erst abweisend vorkamen (was auch mein Fehler sein kann), nach ein paar Tagen plötzlich von ganz privaten Dingen geplaudert haben. Mir hat die Arbeit größtenteils viel Spaß gemacht und gerade bei der Arbeit war die Begegnung mit den (sehr interessanten) Menschen richtig intensiv. Hinzu kommt, dass das Gelände und die Gebäude der SSM auf mich von Anfang an wie ein Zuhause wirkten.

Natürlich gibt es auch hier Leute, die über andere oder das Essen herziehen, die manchmal (oder öfter) überhaupt keine Lust auf Arbeit jeder Art haben, die lieber mal den Sitzungen fern bleiben oder die aufgrund ihrer Erfahrungen und ihres umfangreichen Wissens oder der Fähigkeit sich geschickt zu artikulieren (unabsichtlich) das Geschehen weit stärker beeinflussen als andere. Enttäuschend war für mich die Äußerungen von jemandin, die meinte, sie sei zu alt und krank um "richtig" mitzuarbeiten, die also das Konzept von "Neuer Arbeit" nicht verinnerlicht zu haben scheint. Und die Äußerungen von einigen, zum Teil arbeitenden SSMlern, die fehlende Disziplin und Führungslosigkeit der Gruppe kritisierten, die also genau das, was ich zu bewundern gekommen war, nicht zu schätzen wissen. Nachdenklich macht mich der hohe Anteil von (Hardcore-) Rauchern in der Gemeinschaft, der hohe Männeranteil (v.a. im Bereich von INA, Öffentlichkeitsarbeit, Schriften, ...) sowie das Profitdenken, das ich immer wieder durchgehört habe, das den Kampf ums finanzielle, aber nicht ums moralische Überleben sichern kann. Dass der Begriff "Neue Arbeit" auf die SSM angewandt wird, halte ich nicht für besonders gut, da die Provokation, die dabei gedacht war, meiner Meinung nach nicht deutlich wird, wenn man "Arbeit" gleich mit "Abschuften" gleichsetzt ohne weiter darüber nachzudenken. Außerdem finde ich es schade, dass Ihr Euch dadurch an die Ideen Bergmanns anhängt und damit ein Stück Eigenständigkeit verliert.

Einiges nehme ich für mich mit. Ja, Konsens ist erlernbar. Ich kann mir jetzt eher vorstellen, dass alle Menschen es schaffen könnten, sich auf diese Weise zu organisieren und Entscheidungen zu treffen. Und das Konsensprinzip tut, da bin ich mir jetzt sicher, den Leuten sichtlich gut. Allerdings frage ich mich auch, ob man heute ein solches Projekt neu starten könnte, ob man Leute finden könnte, die so dahinterstehen wie Rainer und ob es die SSM ohne Schlüsselfiguren, ohne Leute mit juristischen Kenntnissen und ohne Kontakte zu Politik und Verwaltung überhaupt noch geben würde. Über viele "Problemfelder" wie ob die wöchentliche Auszahlung für jeden gerechter ist als auf die Bedürfnisse einzugehen,ob die Erziehungsarbeit, nicht mehr in der Gruppe verteilt werden sollte, ob ich den Privatbereich bei der SSM als zu weitgehend empfinde und ob schon die bloße Existenz der SSM als politische Agitation betrachtet werden kann, werde ich noch mal nachdenken. Auch darüber, inwieweit ich diese, in großen Teilen erstrebenswerte Art des Lebens in mein Leben übernehmen will und kann.

Adresse und Homepage von Katja: rumpelart@gmx.de; www.rumpelart.de

 

 

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