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Werde deine eigene Umgebung
Jelka Plate / Malte Willms |
Was machen Plate/Willms, SSM und O.M.A. im Museum Ludwig?
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Sie betreten das Foyer des Museum Ludwig und finden neben der
Garderobe, dem Museumsladen und dem Eingang zur Ausstellung "Ökonomien
der Zeit" eine Nische mit der Aufforderung "Werde Deine eigene
Umgebung". Pfeile auf dem Boden weisen auf ein Logo mit dem Kürzel
SSM, im Fenster sind Gegenstände wie in einer Ladenauslage
präsentiert, Kleider hängen zum Verkauf aus, auf Monitoren laufen
Dokumentarfilme über die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM),
Dias aus der Geschichte und dem Alltag der SSM werden projiziert. Das
Modell des Office for Metropolitan Architecture - O.M.A. zum Umbau des
Foyers ist aufgebaut, ein riesiges Foto vom zukünftigen Anblick des
Foyers hängt vor der Backsteinwand und auf den Materialproben aus Holz
und Polycarbonat, das zum Umbau verwendet wird, wurde ein Schaubild
zur Geschichte und Organisation der SSM angebracht.
Wir wurden für die Ausstellung "Ökonomien der Zeit" dazu eingeladen,
ein Projekt vor Ort zu entwickeln. Bei unserem ersten Besuch fanden
wir ein Foyer vor, das sich in einer Übergangssituation befand. Kasper
König, der Direktor des Museums hat das niederländische
Architekturbüro O.M.A. des Architekten Rem Koolhaas damit beauftragt,
das Foyer in eine öffentliche Zone umzuwandeln. Der potentielle
Besucher soll schon vor dem Lösen einer Eintrittskarte mit den
Inhalten des Museums konfrontiert werden. Das vom O.M.A. entwickelte
Modell "Vitrine" wandelt das Foyer in einen hellen, beinahe leeren
Raum, der von der Garderoben- und Kassenfunktion befreit wird.
Um den bevorstehenden Umbau öffentlich zu machen, wurde eine
Ausstellung mit Modell, Materialproben, Fotos und Texten aufgebaut.
Teile der Ausstellung sind jetzt Bestandteil des Projektes "Werde
deine eigene Umgebung".
Mit dem Anspruch das Foyer in eine "Öffentlichen Zone" umzuwandeln,
stellt sich das Museum selbst die Frage nach seiner Funktion. Welcher
Art öffentlicher Zone soll hier für wen geschaffen werden? Wir haben
in Köln die SSM kennen gelernt und uns dazu entschlossen, sie bis zum
Umbau des Foyers dorthin einzuladen, um ihre Vorstellung von
öffentlichem Handeln und Arbeiten der Vorstellung von öffentlichem
Raum, wie sie im O.M.A.-Modell zum Ausdruck, kommt gegenüberzustellen.
Das Projekt "Werde Deine eigene Umgebung" bleibt vom 15.3. bis zum 02.
Mai 2002 stehen, danach werden die Bauarbeiten zur Realisierung des
O.M.A. Modells beginnen.
Das Projekt wurde durch die Kulturbehörde der Freien und Hansestadt
Hamburg gefördert.
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Das magische Quadrat
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Ole Scheeren
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In einer Zeit, da viele Museen mehr und mehr zu Abteilungen der
Entertainmentindustrie geworden sind und in ein nahtloses Amalgam von
Shopping und Kultur übergehen, scheint mit dem Umbau des Museum Ludwig
noch eine ideologische Dimension möglich (...).
Die neue Eingangshalle soll von außen direkt zur Sache kommen: dem
Ausstellungsraum. So ist der Raum als große Vitrine konzipiert, die
nicht nur lockt, sondern möglicherweise auch konfrontiert...
Dem klassischen >White cube< - Charakter des Museums wird ein
experimenteller Raum vor-geschaltet, der durch seine Materialität und
seine vielfältigen Beziehungen zum Außenraum dem Museum neue
Möglichkeiten der Kunstvermittlung und Präsentation bietet (...).
Aus: Umbau des Eingangsbereiches. Hg. von Museum Ludwig / Office for
Metropolitan Architecture, 2001.
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O.M.A. at work - Nicht lineares Entwerfen
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Philipp Oswalt / Matthias Hollwich
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Wie arbeitet ein Büro, zu dessen Regeln es gehört, keine Regeln zu
haben? Hat das Büro von Rem Koolhaas den Charakter eines
zenbuddhistischen Klosters, in dem den Gläubigen ihre Gewissheiten
systematisch zerstört werden, um ihnen das >Eigentliche< zu
offenbaren?
Eine wichtige Bedingung ist, dass ein Großteil der Mitarbeiter recht
unerfahren und jung ist. Nicht nur, dass sie für relativ wenig Geld
unglaublich viel arbeiten und es damit erlauben, tausend Ideen zu
verfolgen, auszuprobieren und zu verwerfen. Entscheidend ist vielmehr
ihre Naivität, mit der sie sich ihrer Aufgabe widmen.
Rems Vorgaben sind meist so vage, seine Präsenz über lange Zeiten nur
punktuell und seine Distanz zum Entwurfsteam so groß, dass einige
Mitarbeiter meinen, er sei eigentlich gar kein Entwerfer, sondern
seine Mitarbeiter produzierten die Architektur. Die Distanz zwischen
Entwurfsteam und Rem führt zu einer großen Flexibilität: Jederzeit
kann die Richtung unerwartet gewechselt werden. Die Arbeit von Tagen
oder Wochen kann dann in einer Minute ohne viel Diskussion verworfen
werden.
Grundsätzlich scheint beinahe jede Form der Destabilisierung
willkommen zu sein. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Team,
welches ein Projekt begonnen hat, es auch bis zur Realisierung
weiterführt. Es kann passieren, dass ein Team nach durchgearbeiteter
Nacht und Zwischenpräsentation ins Büro kommt, die Arbeitsplätze von
Kollegen in Beschlag genommen wurden und das Team sich neue suchen
muss. Überhaupt gibt es im Büro keinerlei persönliches Eigentum.
Stillschweigend wird eine 100% Verfügbarkeit der Mitarbeiter
vorausgesetzt - 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. 365 Tage im Jahr,
Weihnachten ausgenommen.
Das Büro ist mehr von einer amerikanischen als von einer europäischen
Mentalität geprägt: Produziere, kritisiere und hinterfrage nicht,
diskutiere nicht, zeige unbegrenzten Einsatz, erwarte keine
Solidarität von deinen Kollegen - don´t worry - be happpy.
Aus: O.M.A. at work, erschienen in: bignes?. Kritik der
unternehmerischen Stadt. Hg. von Jochen Becker. b_books Berlin 2001.
Der Text wurde von Plate / Willms gekürzt.
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Die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim - SSM
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Jelka Plate / Malte Willms
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1979 hat die Gründungsgruppe der SSM das Gelände einer ehemaligen
Schnapsbrennerei besetzt und damit begonnen, durch unermüdliches
Werkeln Wohnraum zu schaffen. Die Gruppe bestand damals aus einer
Sozialarbeiterin, einem Jurastudenten und Sozialpädagogen, deren zwei
Kindern, einem ehemaligen Bankkaufmann und einem ehemaligen
Bergarbeiter. Bald darauf kamen ein Rollstuhlfahrer und eine Mutter
mit ihren zwei geistig behinderten Söhnen dazu.
Eine Umzugs- und Entrümpelungsfirma wurde gegründet, um den
Lebensunterhalt der Gruppe zu erwirtschaften, ein Landprojekt mit
Kartoffel- und Getreideanbau zeitweise ins Leben gerufen. Den
Vorläufer zur SSM bildete die Sozialpädagogische Sondermaßnahme Köln,
kurz SSK, in der aus Heimen entflohene und obdachlose Jugendliche mit
Studenten zusammen lebten und arbeiteten. 1985 trennte sich die
Gruppe in der Düsseldorfer Straße vom SSK, weil dieser die Kooperation
mit anderen, nicht-sozialistischen Selbsthilfen, Initiativen und
Projekten ablehnte. Seitdem nennt sich die Gruppe Sozialistische
Selbsthilfe Mülheim, kurz SSM. Sozialistisch, weil die
Produktionsmittel, wie z.B. der LKW allen gemeinsam gehören und alle
aus einem Topf leben.
Die SSM ist im "Veedel" und in Mülheim fest verankert. Sie steht durch
unzählige, von ihr initiierte Stadtteilprojekte und ihre über
20jährige Existenz für renitente Praxis.
Gesellschaftspolitische, sozusagen. Mittlerweile von bürgerlichen
Wohnburgen umzingelt, ist die ehemalige Schnapsbrennerei nur
vermeintlich unverändert und behauptet ihre dissidente Idylle gegen
den ideologischen Mainstream der Postmoderne, gegen
Globalisierungs-neoliberalismen und andere Poplinke.
Herzstück der SSM ist die "Verantwortung", so heißt einerseits der
Raum, in dem die Zeit stehen geblieben scheint und die
patinaüberzogene Friedenstaube an der Wand hängt. Wer hier eine Weile
ist oder lebt, wird diesen ästhetischen Taumel schnell ad acta legen
und zu dem werden, was er ist: Eigene Umgebung.
Andererseits ist die "Verantwortung" ein gemeinsam geschaffenes
Kuriosum der SSM und wird jeden Tag einem anderem SSMler übertragen
und im gleichnamigen Raum vollzogen. Die Verantwortung ist für 24
Stunden an allem schuld, was menschlich und organisatorisch den Bach
runtergeht und muss am folgenden Tag die Sitzung leiten. Jeden Morgen
um 9.00 treffen sich die ca. 20 SSMler in einer Mischung aus
Morgenmuffeligkeit, Tatendrang und Diskussionswut zur so genannten
Sitzung in der Verantwortung, um die anstehenden Arbeiten zu verteilen
und anliegende Probleme und Fragen zu erörtern. Die SSM beschließt
niemals einfach etwas durch Abstimmung, alles geht so lange durch den
Kuhmagen der Sitzung bis eine von der gesamten Gruppe getragene Lösung
gefunden wird. Diese Konsensfindungen werden durch gegenseitige
Beschimpfungen, überraschend aus dem Hinterhalt auftauchende
Vorschläge und gewitzte Argumentationen begleitet.
"Arbeit" ist auch hier ein zentraler Begriff, nur ins
persönlich-relevante gewendet: Vom Umzug fahren, über das Holz hacken
und Heizen bis zum Kochen des gemeinsamen Mittagessensund bis zum
Schreiben eines Flugblattes und der Teilnahme an einem
Stadtteilbeirat. All das gilt hier als Arbeit. Erst mal ist es jedoch
der triviale Zwang, das nötige Kleingeld zu verdienen, das über die
weitest gehende Selbstversorgung hinaus benötigt wird.
Dies bewältigt die SSM durch Umzüge, Haushaltsauflösungen und
Entrümpelungen mit ihrem LKW. Jeder SSMler erhält zweimal die Woche
ein Taschengeld, egal, an welcher Arbeit er / sie sich beteiligt hat.
Kleidung und Möbel bekommt der SSMler im eigenen Second Hand Warenhaus
umsonst.
In der SSM leben und machen alle mit allen zusammen, soll heißen
Sozialpädagogen, Schreiner und Theoretiker der Neuen Arbeit mit
Behinderten, psychisch Kranken und denen, die sonst noch als nicht
verwertbar gelten. Entweder sei man beim SSM, weil man nicht im Heim
leben wolle oder weil man vom Wahnsinn des kapitalistischen
Arbeitsalltags genug habe.
In einem aus der Weitwinkelperspektive betrachtet großzügigen Büro
residiert das "Institut für Neue Arbeit" (INA) und kämpft auf der
Theorie-Ebene um die gesellschaftliche Bedeutung der eigenen Praxis.
Die SSMler bemühen sich, so viele Stunden am Tag wie möglich als
historisches Subjekt zu existieren, indem sie die Arbeit, die sie
verrichten in einen gesellschaftlichen Zusammenhang stellen.
Andererseits bricht der SSMler gelegentlich in hysterisches Lachen
aus, weil er / sie ob der scheinbaren Banalität des Schleppens von
Kühlschränken oder des Verkaufs von Second - Hand Kleidern im Laden
manchmal nicht mehr weiß, ob der praktische Alltag so utopisch ist,
wie die Theorie der "Eingebetteten Ökonomie" verspricht. Stofflicher
und zwischenmenschlicher Reichtum, den man aushalten können will.
Ein selbst ausgebauter Saal dient sowohl meditativer Entspannung als
auch der politischen Seminar-Arbeit. Abends ab ca. 18.00 Uhr zieht
sich der SSMler in seine Privatwohnung oder seinen Privatbauwagen auf
dem Gelände zurück und hat eine Freizeit, die er dann teilweise beim
holotropen Atmen oder Yoga mit anderen SSMlern teilt, weshalb die SSM
aber trotzdem keine Kommune ist.
Die SSM besticht durch die Offenheit und Großzügigkeit, mit der sie
Fremde aufnimmt. Ironisch bezeichnet der SSMler dies als das
sogenannte "Ansaugen". In unserem Fall hieß das, sofort an den
Sitzungen teilnehmen, am Wochenende bei Sonne im Hof frühstücken, Müll
zur Kippe fahren, danach hoffen, dass noch etwas vom gemeinsamen
Mittagessen da ist und mit Blick auf Birken einschlafen.
Vielen Dank an:
Alle SSMler, Gunnar Lenz, Peter Kleinert, Rea Karen, Dorothea Weisel
und Dorothea Neukirchen.
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Info- und Ladenöffnungszeiten der SSM im Museum: Fr. 10 - 13, Sa
14-18, So 10 - 18.
Weitere Info- und Öffnungszeiten zu erfragen unter Tel. 0221/ 640 31
52.
"Andere Zeiten bei der SSM": Einführungen von Heinz Weinhausen,
jeweils Donnerstag um 17 Uhr am 21. März, 04. April, 18. April und 02.
Mai. Veranstaltungen im Museum: Sonntag und Dienstag Abend, genaueres
siehe zusätzliches Programm.
SSM - Sozialistische Selbsthilfe Mülheim e.V. Düsseldorfer Str. 74,
51063 Köln.
Tel. 0221/ 640 31 52 Email: h.weinhausen@ina-koeln.org Homepage:
www.thur.de/philo/ina/ina.htm
Ladenöffnungszeiten der SSM Düsseldorfer Str.74: Di u. Fr. 14-18, Sa
10 - 13 Uhr
07. April 2002 ab 10 Uhr: Tag der offenen Tür mit Flohmarkt bei der
SSM.
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Übrigens: Die Aktion »Museum Ludwig« bedeutet für uns auch Mehrkosten,
für Prospekte, Fahrkarten, Spesen. Vielleicht schaffen wir es nicht,
den ein oder anderen Umzug zu fahren. Wir bitten um Spenden.
Mach mit e.V. Stadtsparkasse Köln, Kto. 1011 342 704, BLZ 370 501 98
Stichwort »SSM goes Museum«
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